Deutsche Klein- und Privatbahnen Band 6: Nordrhein-Westfalen Nördostlicher Teil

Catalogusnummer

B0167
Taal

 

Vorwort

 

Bedeutung der Regionalbahnen (nichtbundeseigene Eisenbahnen) o r dem Hintergrund der Liberalisierung des Güterverkehrs

Das Umfeld des Eisenbahngüterverkehrs in Deutschland hat sich im Jahre 1994 mit der Umsetzung der 1. Stufe der Bahnreform und der ein­hergehenden Liberalisierung des Güterverkehrsmarktes deutlich verändert:

Die Öffnung der Netze öffentlicher Eisenbahninfrastrukturunternehmen bietet die Möglichkeit, Güter auf der Schiene auch im Wettbe­werb zwischen Eisenbahnverkehrsunternehmen zu befördern.

Für die Eisenbahnverkehrsunternehmen besteht keine Tarif- und Beförderungspflicht mehr.

Die Angebotsgestaltung im Güterverkehr unterliegt ausschließlich dem eigenwirtschaftlichen und damit privaten Interesse der Eisen­bahnverkehrsunternehmen.

Die bisherige Wettbewerbsordnung, in der zwischen den Verkehrsträgern konkurriert wurde, ist mit der Öffnung der Netze für Dritte in einen Wettbewerb zwischen den Eisenbahnverkehrsunternehmen erweitert worden. Genau dieser Wettbewerb ist nicht nur möglich, sondern erfor­derlich, um die Produktivität der Eisenbahnen zu verbessern und gleichzeitig den Verkehrsträger Schiene im Wettbewerb mit anderen Ver­kehrsträgern zu stärken.

Die Regionalbahnen sind mit ihrer regionalen Marktpräsenz geradezu prädestiniert, dem System Schiene Markterfolge zuzuführen. Denn die Mehrzahl der Güter hat Quelle und/oder Ziel in der Region. Mit optimierter Marktorientierung, weiter entwickelter Produktivität und gestei­gerter Attraktivität und Effizienz können sie im Wettbewerb oder in Kooperation mit anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen die Marktposi­tion des Verkehrsträgers Schiene im Güterverkehr deutlich verbessern.

Regionale Marktpräsenz ist deshalb eine wesentliche Vorraussetzung für die Zukunftsfähigkeit des Eisenbahngüterverkehrs. Diese Feststel­lung gewinnt um so mehr an Bedeutung, wenn man den Blick auf die zu erwartenden Zuwächse des Verkehrsmarktes lenkt. Prognosen gehen davon aus, daß die Güterverkehrsleistung auf deutschen Verkehrswegen bis zum Jahre 2015 um ca. 60 % wächst. Diese Zuwächse können nicht ohne weitere zusätzliche Qualitätseinschränkungen auf der Straße bewältigt werden.

Die Schienenanbindung der regionalen Standorte ist nur unter Wahrung der wirtschaftlichen Interessen der Eisenbahnverkehrsunternehmen möglich. Die Wirtschaftlichkeit wird maßgeblich von den auf die Eisenbahnverkehrsunternehmen fallenden Wegekosten beeinflußt. Das Aus­lastungsrisiko der Infrastruktur wird bei Anwendung des Vollkostenprinzips auf die Trassenpreisbildung ausschließlich von den Eisenbahn­verkehrsunternehmen getragen. Dieses ist aus der Sicht des Eisenbahngüterverkehrs nicht akzeptabel:

Die Ausstattung der Region mit Infrastuktur ist eine klassische öffentliche Aufgabe.

Die Finanzierung des Bestandsnetzes konkurrierender Verkehrsträger erfolgt unabhängig von deren Auslastung. Keine öffentliche Straße wird auf betriebswirtschaftliche Rentabilität geprüft. Die Übertragung des Auslastungsrisikos der Eisenbahninfrastruktur auf die Eisenbahnverkehrsunternehmen ist deshalb eine deutliche Benachteiligung im Wettbewerb.

Die volkswirtschaftlich, gesellschafts- und regionalpolitisch erwünschten Wirkungen der Eisenbahninfrastruktur müssen deshalb, so­weit sie den unternehmerischen Auftrag der Eisenbahnverkehrsunternehmen überfordern, von den öffentlichen Händen finanziell abge­eolten werden.

Ganz sicher NN. erden sich die Eisenbahnverkehrsunternehmen mit den gewonnenen unternehmerischen Freiheiten ausrichten und positionie­ren. Ob sie letztlich auch erfolgreich sein werden, hängt aber auch davon ab, wie sich die politischen Rahmenbedingungen für die einzelnen Verkehrsträsser in Zukunft entwickeln werden.

 

Dietmar Schweizer

Geschäftsführer der Mindener Kreisbahnen GmbH, Minden